Richard Schirrmann (15. 5. 1874 – 14. 12. 1961) wurde in Grunenfeld als Sohn des Lehrers August Schirrmann und seiner Frau Bertha, geb. Kurz, geboren. Von 1879 – 1887 besuchte er die einklassige Schule in Grunenfeld, in der sein Vater Lehrer war, und anschließend die zweiklassige Schule in Eisenberg, zu dessen Kirchspiel Grunenfeld gehörte, wo sein Großvater Benjamin Kurz als Schulleiter amtierte. Er besuchte die Präparandenanstalt Friedrichsdorf bei Ortelsburg sowie das Lehrerseminar Waldau bei Königsberg und war kurze Zeit Privatlehrer auf Gut Drebnau (heute Seljony Gai) im Samland, nördlich von Drugehnen. 1895 legte er in Karalene bei Insterburg das Lehrerexamen ab und wurde in der Kirchschule Königshöhe bei Lötzen, danach in Schrombehnen im Kreis Pr. Eylau als Lehrer eingesetzt, wo er bereits jede Gelegenheit nutzte, sich mit seinen Schülern im Freien zu bewegen.[1] Schon bald entwickelte er im Rahmen eines Unterrichtskonzepts für die Schule im Freien die Idee der „Wandernden Schule“.
Schirrmann wurde ins Ruhrgeiet nach Gelsenkirchen versetzt, wo er zusätzlich das Konzept entwickelte, durch Klassenausflüge dem Kinderelend im Industriegebiet entgegenzuwirken. Seine Konzepte stießen jedoch bei den Schulbehörden auf wenig Gegenliebe. 1903 wurde er nach Altena im Sauerland strafversetzt und unterrichtete ab 1905 in der Netterschule, in der er 1907 die erste, noch provisorische Jugendherberge einrichtete. 1910 veröffentlichte er seine Gedanken in der „Kölnischen Zeitung“. Dadurch kam er in Kontakt mit dem gleich gesonnenen Unternehmer Wilhelm Münker aus Hilchenbach und sie entwickelten angesichts eigener unliebsamer Erfahrungen ab 1909 die Idee, Jugendherbergen einzurichten, um jugendlichen Wanderern eine preiswerte und zivilisierte Unterkunft zu gewähren. Landrat Fritz Thomée in Altena förderte das Vorhaben nach Kräften. In der Abhandlung ” Vom Jugendwandern und welchen Gewinn ich mir davon verspreche” machte Schirrmann die Idee so populär, dass daraus eine breite Bewegung erwuchs. Der 27. Juni 1914, also der Tag vor dem Attentat von Sarajevo, war der Einweihungstag der ersten ständigen Jugendherberge der Welt in der wieder aufgebauten Burg Altena und diese gilt seitdem als das Mutterhaus der Jugendherbergen schlechthin. Es gab dort zwei Schlafsäle, einen Tagesraum und eine Küche, später kamen Wasch- und Duschräume hinzu. Die massiven Betten waren dreistöckig.[2]
Es war der Anfang einer beispiellosen Entwicklung. 1913 gab es bereits 83 Jugendherbergen, 1914 waren es 535[3],1920 waren es 700. Der Reichsjugendherbergsverband wurde 1919 gegründet.
Aufgrund seiner erfolgreichen Auslandskontakte beschloss Schirrmann 1932, in Amsterdam die Internationale Arbeitsgemeinschaft der Jugendherbergen ins Leben zu rufen, dessen Präsident er 1933 wurde und aus dem 1946 der internationalen Jugendherbergsverband hervorging. 1934 wurde das Deutsche Jugendherbergswerk in die Hitlerjugend integriert und Reichsjugendführer Baldur von Schirach zu dessen Vorsitzenden gemacht. Schirrmann erhielt den Ehrenvorsitz. 1935 erhielt die erste amerikanische Jugendherberge seinen Namen, doch bereits bei der Übernahme durch die Hitlerjugend 1936 zwangen die Nazis den Vater der Jugendherbergen, auf den Vorsitz im IYHF (International Youth Hostel Federation) zu verzichten und veranlassten seine Ausweisung aus Altena. Schirrmann zog nach Grävenwiesbach im Taunus, wo er auch seinen Lebensabend verbrachte.
1948 tagte der erste Weltjugendherbergskongress in Dublin, zu dem 25 Nationen Delegierte entsandten. Am 30. August 1949 konnte Schirrmann den Hauptverband für Jugendwandern und Jugendherbergen neu begründen, dessen Ehrenpräsident er wurde, und 1952 erhielt Schirrmann das Bundesverdienstkreuz, 1954 wurde er Ehrenbürger der Stadt Altena. 1956 gab es in der Bundesrepublik Deutschland bereits wieder 720 Häuser dieser Art mit 8 Millionen Übernachtungen. Heute, 2009, bestehen in fast 90 Ländern mehr als 4.000 Jugendherbergen.[4] Richard Schirrmann starb in Grävenwiesbach (Taunus).
[1] Silke Osman, Inmitten von Sturm und Wolkenbruch, Oprbl. Nr. 2909(18. Juli), S. 21
[2] Postfrisch Juli/August 2009, S. 8 „Vom Schlafsaal zum Familienhotel
[3] Postfrisch Juli/August 2009, S. 8 „Vom Schlafsaal zum Familienhotel“; abweichende Zahl gibt es bei Manuel Ruoff, Unterkünfte für die „Wandernde Schule“, PAZ Nr. 19/2024 (10. Mai), S. 11
[4] Postfrisch Juli/August 2009, S. 9 „Vom Schlafsaal zum Familienhotel“
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