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Vorstellung = Familie Wenig Cranz 1931-44

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Heute möchte ich Ihnen allen mitteilen, dass ich es endlich geschafft habe, meine Reise nach Cranz anzutreten. Nach längerem Kampf mit dem Hotel, dass einfach nicht die Vocher sendete (! Panik) wegen der Visa-Bearbeitung kam dann endlich kurz vor Toresschluß das Papier. Das Reisebeüro Romanova war sehr hilfsbereit und hat mir inrhalb weniger Tage dann die beiden Visa zugeschickt.

Jetzt ist es endlich soweit, alles Warten, Reise planen, mit dem Internet für das Autonavigationsgerät die GPS-Daten für ca. 30 Ziele rauszukopieren, etwas Startgeld in Rubel und Zloty (1 Stopp in Danzig, Geburtshaus Opa besuchen) besorgen und jetzt langsam packen, macht mich immer aufgeregter !

Am Sonntag morgens ca. 5:00 Uhr geht die Fahrt los und ich werde schon immer hibbeliger. Diese Reise wird eine extrem emotionale für mich, ein Paar Packungen Tempos sind auch eingepackt.

Wenn ich wieder zuhause bin, werde ich einen kleinen Reisebericht mit Bildern zusammenstellen, an dem vielleicht der eine oder andere hier seine Freude hat.

CRANZ wir kommen ! HURRA... smile))

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Cranz - wir waren da !

Mitte September 2017 war es soweit, wir haben uns aufgemacht, um Ostpreußen + Cranz zu erobern. den nachfolgenden Text habe ich als Reisetagebuch meinem Onkel Martin Böhm aus Königsberg, Friedmannstr. 48 gesandt, den ich Ihnen hier ungekürzt anfüge. Nach diesem Bericht werden Sie auch noch meinen Schriftverkehr mit dem Volksbund finden, dem ich meinen besonderen Dank zolle.

Unter diesem Link =
https://www.lichter-der-ewigkeit.de/#6924

habe ich für meinen Opa auf der homepage des VdK ein ewiges Licht ange"leuchtet".

*****************************************
Lieber Onkel Martin,
heute bekommst Du ganz besondere Post, wir hoffen, in Deinem guten Zustand !!
Wir haben es getan und geschafft, nach Ostpreußen zu fahren. Es war wohl meine emotionalste Reise, und auch Dirk konnte sich dem Ganzen nicht entziehen. Tagebuch ab =
Sonntag, 10.9.Unterstrichener TextKursiver Text
Wir sind hier morgens um 5:00 losgefahren und waren gegen 17:00 in Danzig. Dort haben wir in einen super Hotel geschlafen, wir waren nonstop gefahren und mausetot. Aber noch ganz toll im Restaurant gegessen.

Montag 11.9. Kursiver Text

Am nächsten Morgen sind wir dann aufgebrochen in die Wiesengasse Nr.4, ihn der Opa Fritz geboren wurde. Die Straße heißt noch heute so und selbst die alte Hausnummer aus Kaisers Zeiten ist noch an der Tür !!! das kannst Du unschwer an den Fotos in „Danzig“ sehen. Das war schon was, vor Opas Geburtshaus zu stehen. Leider konnte man nicht rein, alles mit Code. Ich bin mir sicher, dass es in dem 2-Etagen-Haus nicht viel anders als zu Opas Zeiten aussah, außen war jedenfalls nicht sehr viel passiert. Die Wiesengasse ist in einer Ecke, wo sehr viel schöne alte Häuser stehen, die langsam restauriert werden. Da haben wir noch schlimme Fassaden mit tonnenweise Einschusslöchern gesehen. Hat uns etwas gegruselt … Dann ging es ab in die Innenstadt, Am großen Turm über die Weichsel in eine Prachtstraße, mit Blick aufs Krantor, die uns sehr überrascht hat. Man muss sagen, dass sich die Polen nicht haben lumpen lassen, und alles wieder tiptop aufgebaut haben ! Polen ist sowieso seit EU Beitritt sehr schön geworden, genauso modern und konsumhungrig wie wir und haben auch alles. Wir sind noch knapp 3 Stunden in Danzig rumgeschlendert und haben viel gesehen, auch abseits der Touristen !

Dann ging es endlich ab nach Ostpreußen. Über Elbing nach Heiligenbeil Grenze überschreiten. Wir waren natürlich die einzigen Fremdlinge, dazu noch aus Deutschland, so dass wir eine ¾ Stunde Papiere ausfüllen mussten. Als wir da durch waren, sind es nochmals rund 45 km bis Ring Königsberg, da fuhren wir aber direkt vorbei, wir wollten nach dem Gewaltmarsch endlich nach Cranz ins Hotel. Wir kamen abends gegen 18:00 dort etwas platt an, waren aber total begeistert, als wir in unser Zimmer kamen ! Ein halbrundes Zimmer mit 4 Panoramafenstern direkt auf die Promenade mit Wellenrauschen und Blick bis ans Ende der Küste gegenüber, wo Neukuren anfing. Toll abends, wenn alle Lichter an sind, und Du nur Licht, aber keine Küste siehst. Wir sind erstmal kurz vor Sonnenuntergang die Promenade lang Richtung Corso gegangen, das zieht sich ja wie Gummi, kilometerlang ! Die Promenade ist schön geworden, Edelstahlgeländer überall, mit Musikberieselung, Ansagen in 2 Sprachen (+ englisch) und sehr vielen kleinen Kiosken. Wir haben es an dem Abend nicht mehr geschafft, bis zum Ende zu laufen, sind dann irgend wann am Corso abgebogen und wieder parallel zur Strandpromenade ins Hotel gegangen. Wir waren total ausgehungert und haben im Hotel noch Cranzer Fisch (ich) und Filet Steak (Dirk) bekommen. Beides super frisch und in einer Art und Qualität zubereitet, von der sich hier viele Restaurants eine Scheibe abschneiden können ! Einflechten muss ich mal, dass NIEMAND auch nur ein Wort deutsch oder englisch in Ostpr. spricht !!! Wir sind dann völlig erschlagen in unser Bett gefallen und waren um 5:30 wie üblich wieder wach. hmmm …

Dienstag 12.9.Unterstrichener TextKursiver Text

Zu allererst sind wir am nächsten Morgen in die Hohenzollernstraße gefahren und haben Muttis Geburtshaus aufgesucht. Ich war verwundert, wie der Betrachterwinkel doch alles verzerrt. Nach vorne raus sieht man sogar 3 Fenster in der Holzmansarde. Eins links für linke Wohnung, zwei rechts für Wenig-Wohnung, hinten raus genau dasselbe. Ich bin mit Dirk dort rumgeturnt, war schwierig, NUR Schlaglöcher und Pfützen, wo Du eine Wohnung drin verschwinden lassen kannst ! Wat fürn Dreck… Ich kannte die Örtlichkeiten ja schon ganz gut aus dem Internet (dank google street view) und bin dann durch die Pfützen ums Haus rum, wo der Eingang war. Alle Wohnungsfenster waren gekippt, aber ohne Gardinen, Blumen oder so, dass ich dachte, die Wohnung ist leer stehend (( Als ich auf den Hinterhof ging, habe ich wieder fotografiert wie wild ! Ein Man in meinem Alter kam aus dem Haus und war etwas verwirrt, was ich da so treibe. Ich glaube aber, die Russen ahnen immer schon, dass die Deutschen das nur sein können. Ich habe den Mann dann in meiner Verzweifelung angesprochen, aber nix verstehen nur russ… Danke super ! Dann habe ich auf die Wohnung gezeigt, so getan als ob ich ein Baby im Arm wiege und gesagt: moya mama bääääh, da hat er verstanden, um was es mir ging, wirkte auch leicht zerknittert, dass wir uns nicht verständigen können, er hätte sicher einiges zu meinem Wunsch sagen wollen. Wir haben uns enttäuscht getrennt.

Wir hatten uns beim Frühstück überlegt, erstmal unseren Radius kennen zu lernen. Nach der Hohenzollernstr. Sind wir nach Gut Sudnicken gefahren, waren doch echt enttäuscht, 5 Häuser und ein Spitzbube, ha ha. Die Stallruine stand noch so da, wie Du ihn gesehen hast. Das ganze Anwesen ist von einem Armenier gekauft und aufgemöbelt worden, siehe beiliegenden Text: Pirogowo – Sudnicken. Ich bin durch knöcheltiefen Morast gestapft, um an die Ruine zu gelangen, dort habe ich Dir einen Stein aus der Mauer gebrochen ! Der soll Dir zur Erinnerung bleiben. Leider konnte ich nicht weiter auf das Grundstück nach hinten gehen, eine alte Frau hat uns wüst beschimpfend rausgetrieben. Schade, wäre der Besitzer da gewesen, hätte ich ihm alles erklärt und um mehr Bilder gebeten, die für meinen Onkel sind, der hier bei den Großeltern viel Zeit seiner Kindheitverbracht hat. War nix …

Dank Internet „Suchen+Planen“ sind wir dann auf die Nehrung gefahren (siehe bitte beiliegenden Prospekt, da sind unsere 6 Stationen genau beschrieben). Erste Station Sarkau mit Vickingerdorf und ins kleine Museum, viele kleine Touristengeschenke. Weiter nach Rositten, haben uns an eine Gruppe Russen gehängt und konnten dadurch an der Führung + Vogelberingung teilnehmen. Wir haben nicht viel verstanden, wussten aber meist, um was es ging. So, wieder rein ins Auto, weiter nach oben, der nächste Halt = „der tanzende Wald“, das war ja lustig, diese krummen Bäume… Zum Schluß sind wir noch hoch auf die Düne Epha, ein elllllenlanger Fußmarsch und immer aufwärts (war was für mein Asthma ) , die ist ja so gewaltig und man hatte sogar bei dem klaren Wetter schemenhaft das Festland übers Haff sehen können. Kurz vor Pilkallen haben wir dann Kehrt gemacht. Danach sind wir in die Stadt gefahren und haben viele Straßen und die Fußgängerzone abgelaufen. Wir haben uns schnell alles gemerkt, und kannten uns dann aus, wo wir waren und wie wir am besten immer in den kleinen Straßen fahren. Da wir erfahrene Stadturlauber sind, haben wir eine kleine Zusatz-Reisetasche mit Miniwasserkocher, Besteck, Plastikteller etc. und gehen gerne in den Supermarkt für Brot, Belag, Obst + Joghurt UND einen Vino . Denn abends noch ein Restaurant suchen, ist in Cranz nicht so wie in Berlin ! Wir hatten auch einen Kühlschrank in unserem Hotelzimmer, so dass wir uns völlig unabhängig versorgt haben, TV war nur in russisch, also haben wir das Notebook aufgemacht, in der deutschen Mediathek vom Fernsehen einen Film rausgesucht und lustig auf dem Bett gesessen, gefuttert und einen Krimi angesehen. Restaurants sind nicht teuer, aber meist im Herbst schon früh zu. Schade…

Mittwoch 13.9. Unterstrichener TextKursiver Text

Heute war der Tag, an dem wir nach Insterburg gefahren sind. Es war eine echte Tortur mit der Fahrerei ! Baustellen über Baustellen und Straßen, auf denen man nur 20-30 fahren konnte. Die reißen auf einmal eine Bundesstraße auf 3 Kilometer auf, kein Hinweis vorher, damit man vielleicht Umwege fahren kann – nix. Also mussten wir durch viele Dörfer und Schlaglöcher tuckern. Als das Navi sagte= in 200 Meter links haben Sie Ihr Ziel erreicht, habe ich schon feuchte Hände gehabt. Wir sind dann links in einen Feldweg gefahren, der Friedhof geht direkt bis vorne an die Straße, haben dann direkt neben dem Eingangstor geparkt. Mit leicht zittrigen Knien haben wir den großen Strauß Blumen aus dem Kofferraum geholt und sind dann reingegangen. Auf den ersten Blick kam mir alles so klein vor, über 10.000 Särge ? wo sollen die alle sein? Aber wenn man rumläuft, ändert sich der Eindruck. Der Friedhof ist ein sehr gepflegter und würdiger Grund !!! Die Birken rauschten und die Sonne schien. Alles war feucht, in ganz Ostpreußen stehen überall riesige Pfützen und du hast ständig nasse Schuhe. Die Russen haben die gesamte Landes-drainage verkommen lassen und nix mehr gepflegt, somit sind sie immer ein „Feuchtgebiet“ – grausam diese Faulheit ! Ich bin dann zu dem Namensstein von Opa gegangen und habe ihm vieles erzählt. Wie viel Leid Mutti und Oma ihn der Gefangenschaft erfahren haben, und dass sie leider nichts von ihm bis zu ihrem Tod wußten – ich bin Deine einzige Nachkommin, die Dir heute diese Blumen auf Dein Grab legt !
Ein Bekannter hat 2016 Bekannte gebeten, bei deren Besuch auf dem Friedhof für mich Bilder zu machen. Sie hatten auch während der VdK-Feier ein kleines Gedenkkreuz für mich besorgt, dass mit einem Gruß genau auf dem Grabflecken von Opa fest + tief in die Erde gesteckt hat. Dieses Kreuz habe ich jetzt nach einem Jahr wieder ausgegraben und geputzt und wieder sichtbar in den Boden gesteckt. Mir war in dem Moment eisekalt und ich habe geheult wie ein Kind – obwohl ich meinen Opa nie kennen lernte … Wir sind dann noch den Friedhof abgelaufen, waren über die unzähligen Namen erschüttert und haben uns gefragt, wer war nur Täter und wer Opfer. Eine schwere Frage, die man sich aber stellen muß, ich jedenfalls.
Nachdem ich sehr wehmütig mit Dirk den Friedhof verlassen haben, sind wir langsam wieder Richtung Gumbinnen gefahren, als so ein wild gewordener Russe hinter uns (noch in Insterburg) dauernd hupte, weil wir ihm zu langsam fuhren (bei den Schlaglöchern!). Dirk hat einfach angehalten und ihn vorbei gewunken, da fährt der Typ uns doch vors Auto und springt aus seinem raus und kommt wütend meckernd auf uns zu mit fuchtelnden Fäusten. Ich hatte die ganze Zeit meine Kamera laufen, und ihn gefilmt, als er uns übelst von der Seitenscheibe aus anpöbelte. Mir ist so der Kragen geplatzt, dass ich in auf deutsch angeschrieen habe, er soll sich verschwinden, sonst holen wir die Polizei und noch so einiges Unhöfliches - oh oh ! Er hat sehr genau gesehen, dass die Kamera lief, ich glaube, er hätte am liebsten aufs Auto geschlagen. Ich habe ihn noch sehr schmutzig beschimpft, dann ist er abgeschoben, hat aber immer noch vor uns gestanden ohne wegzufahren. Wir hatten Zeit, wir haben einfach gewartet, bis es ihm wohl dann doch zu doof war…

Jetzt gings weiter nach Gumbinnen, wieder über 2 Stunden ! Hinter Gumbinnen links hoch Richtung Kussen, davor ist ja Radenau gewesen, wo das riesige Feldlazarett war, wo Opa starb. Der Weg zu dem alten Gelände, das man aus der Luft noch heute genau erkennen kann, war einfach unbefahrbar, so dass ich leider dort nicht hinkam . Wir sind dann erstmal nach Spullen gefahren, damit ich Dir ein Paar Bilder von dort zeigen kann. Sieht aus, wie alle kleinen Dörfer, einige neue Häuser und alte, die aber recht runtergekommen waren. Mittendrin eine Prachtvilla! Schnell ein Paar Bilder für Dich und wieder zurück zur Kreuzung, dann weiter nach Schlossberg, links rein nach Lindenhaus. Hier waren Mutti und Oma ja fast 4 Jahre in der Gefangenschaft. In dem grausamen Bewusstsein, was ihnen dort widerfahren ist und wie sehr sie gelitten haben all die Jahre, bin ich dort wie auf heißen Kohlen auf dem Gelände lang gelaufen. Selbst Dirk hat es den Magen umgedreht. Es waren sogar noch immer die alten Reste von der Kommandantur und Wachgebäudereste zu finden. Die uralten Häuser, die damals von den Vertriebenen/geflohenen Menschen leer standen, haben die Russen gleich besetzt. Die Spuren, die ich aus der Luft sehen konnte, zeigten mir, dass ich genau in der Mitte des Lagers stand, wo auch das Hauptgebäude früher war. Das meiste wurde nach dem Krieg planiert, was noch bewohnbar war, haben die „neuen“ russischen Ostpreußen halbwegs bewohnbar gemacht und bis heute irgendwie am Leben erhalten. Wir haben fast kein Wort gesprochen, als wir zwischen den Häusern, Ruinen und geplünderten Mauern standen. Meine Augen blieben wahrlich nicht trocken !!! Und das Wissen um diesen grauenvollen Ort hat uns extrem stark deprimiert. Wir knabbern noch heute daran. Wir haben nach dieser schmerzlichen Erfahrung nur noch die Heimfahrt angetreten. Ich glaube, ich bin in Lindenhaus meiner Mutter und Oma näher gewesen als in der Hohenzollernstrasse. Als wenn der Schmerz und das Leid auch mich traf ! Wir beiden werden das nicht vergessen.

Im Hotel angekommen, hatten wir noch kurz Zeit, uns etwas von dem Ritt zu erholen, dann waren wir um 18:00 mit einem Taxifahrer verabredet, der etwas Deutsch kann. Er war an sich aus der Ukraine, aber seit Jahrzehnten in Ostpr. Ich habe ihm meinen Wunsch erzählt, dass ich so gerne in die Wohnung von Wenig’s wollte, ob er mir nicht helfen kann, dort hinzugehen, zu fragen „dürfen wir reinkommen?“, etwas Schokolade und Rubel mitzunehmen, um den Eintritt zu „erkaufen“. Er fand das Ansinnen nicht so schlimm und wir sind hingefahren. Diesmal stand die Haustür offen, schon im Treppenhaus traf mich der Schlag ! So muß es schon zu Mutti Zeiten ausgesehen haben. Diese grausige blaue Paneelfarbe war schon schlimm, aber die Stufen übertrafen alles ! Ich bin mir sicher, dass die noch original waren, die Stufen waren so bibeldünn und ausgelatscht und krumm, dass man sie von vorne zum Abstützen mit stärkeren Brettern verkleidet hat. Wer da eine Waschmaschine hochträgt, muß Angst haben, nicht im Keller zu landen. Dann der Blick in den Keller ließ mich denken, na - kommt Oma oder Opa gleich um die Ecke ? Wie die Russen sind: außen hui innen pfui ! Ich war sprachlos. Da niemand auf Klopfen und Klingeln aufmachte, war ich schon am Heulen. Wir versuchten es an der Nachbarwohnung, die waren da, standen auch hinter der Tür, haben aber auf Klopfen auch nicht aufgemacht. Wir sind dann eine Etage tiefer, und haben dort leise geklopft, als eine junge Frau öffnete. Der Taxifahrer hatte ihr erklärt, dass ich Germanski bin und meine Mutter in der Wohnung über ihr geboren wurde, ich würde so gerne dort einmal reinsehen. Es stellte sich raus, dass die Wohnung von Leuten aus Kaliningrad gekauft wurde als Sommerdomizil, wenn sie in Cranz sind. Jetzt ist Saison vorbei und die kommen nur noch einmal zum Winter-fest-machen, schade, sie könne uns nicht weiter helfen. Mein Herz tat mir richtig weh, habe aber tapfer die Fassung den ganzen Abend gehalten. Der Taxifahrer war sehr betrübt, dass er nicht weiter helfen konnte, hatte sich aber sehr über uns gefreut. Als Entschädigung ist er mit uns noch zur Schule gefahren, die heute noch genauso aussieht, lediglich neue Fenster und Dach sind gemacht worden. Nun bekam er die Rubel und die Schokolade, die der Enkelin sehr schmecken wird. Ich bin doch ziemlich traurig ins Bett gegangen…

Donnerstag 14.09.2017Unterstrichener TextKursiver Text

Heute ging der Wind schon stärker, ohne Jacke war es ungemütlich. Wieder mit meinen Luftbildern und geo-koordinaten bewaffnet, damit hatten wir unser Navi gefüttert und uns nicht einmal in den 8 Tagen verfahren. Das ist schon eine tolle Sache, alles in russisch da, und wir fahren immer der deutschen Stimme der Navi-Dame nach. Wir sind als Erstes zur Friedmannstr. gefahren. In der Ecke sah es teilweise noch ziemlich rümpelig aus, einige Ruinen, von einem alten Haus haben sie nur die historische Front stehen lassen, der Rest war hohler Himmel ! Jetzt weiß ich, das war die Kreuzapotheke ! Wir sind dann auf das Gelände gefahren, wo früher die Straße verlief, vorne war alles Mieterparkplatz, weiter hinten war ein Zaun mit Gartentor, hinter dem ein kleiner Park angelegt war. Von dort habe ich auch ein kleines Souvenir mitgebracht. Wir sind noch zum Königstor gelaufen und haben dort Bilder gemacht.
Wir haben uns dann in der Stadt ein Parkhaus ausgesucht, da haben wir uns für 1,75 Euro 4 Stunden reingestellt !! Von dort aus bin ich in das viel im Internet beworbene Hotel IBIS gegangen, weil man dort am Empfang deutsch und englisch spricht. Von wegen - Lüge !!!! Ziemlich frustig sind wir dann ohne deren Hilfe mit treppauf-treppab auf die Dom-Insel gelangt. An der Spitze ist heute das russische Olympiazentrum für irgendwelche Sportarten, überall rannten haufenweise junge Sportler rum und machten komisch lustige Übungen. Waren an der Stelle, wo die großen Pötte lagen und der Pregel sich um die Insel teilt, gingen dann am Wasser lang, gegenüber die Börse und kamen dann zum Dom. Ein gewaltiges Teil. Den haben sie wirklich schön wieder aufgebaut, Hut ab, das meiste nur aus privaten Spenden, ein Paar Bilder anbei. Wir konnten nicht rein, weil das Kassenhäuschen, wo man extra Eintrittskarten kaufen muß – ZU war ! Ordentlich Souvenirs gekauft und immer nette Leute getroffen. Das Fräulein hatte 2 Augenfarben = blau und braun, die hat englisch gesprochen und war so selig, als ich ihr sagte, dass sie wie eine seltene Glückskatze ist (2 Augenfarben) und sehr schön ist. Sie war sowas von gerührt. Süß .

Sind dann über die Honigbrücke in die Stadt gelaufen, aber da waren nur grausame Betonbunker zu sehen. Erschüttert war ich vor allem, als ich feststellte, dass sie den Rest der Synagoge abgerissen haben, um ein Bürohaus dort hinzubauen !!!!!! Was für ein Frevel und Verachtung ! Wir sind dann noch eine Weile rumgelaufen, erstmal in einen Supermarkt die Waren checken und dann ein Cafe suchen. War eine Pleite, die Russen verstecken alles hinter düsteren Fassaden, wo wir nie drauf gekommen wären, rein zu gehen. Es wurde auch immer kälter und stürmischer, so dass wir wieder Richtung Cranz abgezogen sind, wir haben uns dort ein Cafe gesucht und schön Kuchen gegessen. Mit Schirm dann wieder auf Promenade, diesmal das alte Freibad von Großeltern suchen, ich stand auf dem Boden meiner Familie und hatten den Sand in meinen Schuhen + Zehen. Ich musste gleich wieder heulen. Wenn Mutti und Oma doch bloß das alles wüssten !!!!! Wir haben uns im Supermarkt noch fürs Abendbrot schönen warmen Braten geholt und dann waren wir auch etwas plattfüßig. Den Abend haben wir leider mit sehr lauter Disco verbringen müssen, die aus dem Restaurant unter unserem Zimmer nach oben dröhnte.

Freitag 15.09.2017 Unterstrichener TextKursiver Text

Heute ist der letzte Tag, den wir ganz in Ruhe verbringen werden. Wir klappern Cranz noch mal gründlich ab, gehen schön Mittag essen und ärgern uns über den Monsunregen, der heute runter kam… Wir haben uns noch mal ein paar kleine Souvenirs gegönnt und sind dann in den Wasserturm gegangen, der jetzt zu einem tollen Hotel gehört. Der Turm wurde wunderschön hergerichtet und hat einen Fahrstuhl bis aufs Dach. Was für ein Ausblick ! In dem Turm ist jetzt über alle Etagen ein Katzenmuseum mit Millionen Katzen aller Art + 1 Lebende ! Cranz ist wohl die Stadt mit der größten Katzenliebe, in der Stadt steht noch ein großes Denkmal für sie. Damit hat man bei uns natürlich 100 Punkte, wir sind ja Katzenliebhaber und bringen uns für unsere fast um. Das war eine wirklich schöne Idee mit dem Museum. Wir sind noch im strömenden Regen um riesige Pfützen jongliert und noch Kleinigkeiten (auch für Dich) gekauft, die uns immer an hier erinnern werden.
Wir haben abends noch ein wenig an der Promenade verweilt und Kuchen verdrückt und dabei den Wellen zugehört. Jetzt sind die Taschen gepackt und morgen müssen wie leider Abschied nehmen.

Samstag 16.09.2017Unterstrichener Text

Wir sind schon um kurz nach 4:00 (wie meist) wach geworden, haben unsere Brot + Wurstreste von gestern gefrühstückt und noch Stullen für den Weg mitgenommen. Kurz nach 5:00 saßen wir schon im Auto und fuhren Richtung Grenze. Der Weg bis raus aus Cranz fiel mir SEHR schwer, ich bin hier beim Schreiben gleich wieder traurig. Gegen 7:00 waren wir an der russisch/polinischen Grenze, es war ziemlich voll, die wollen alle nach Polen einkaufen. Dummerweise haben wir zwar an dem Schalter mit der richtigen EU-Beschriftung gestanden, aber nur in russisch stand da wohl MIT Verzollung, somit sind wir bei den Polen dann nach einer Stunde auch falsch ! Dort hat man den kompletten Russenverkehr und uns bis 11:00 VIER Stundenin der Sonne stehen lassen, ohne dass auch nur ein Auto sich bewegte. Die Polen hassen die Russen und nehmen damit auch Leute wie uns einfach in Sippenhaft… Um kurz nach 11 wurde es mir zu bunt und ich bin vor zum Zoll gegangen: was das soll, uns EU-Bürger aus Deutschland hier über 4 Stunden festzuhalten, ich habe heute noch in Deutschland einen Krankenhaustermin, den ich einhalten muß, ist onkologisch. Das hat der Zöllner verstanden, ging zu seinem Oberst und kam bald wieder, „mitkommen“, aha… Wir liefen zu unserem Auto, das mittig zwischen Hunderten stand und bekamen eine Lehrstunde in Behördengewalt. Der Zöllner hat alle Autos zu unserer rechten Seite wegmanövriert und uns aus dem Pulk tatsächlich rausgeholt. Wir wurden vorne am Ausreiseschalter als Zweite parkiert und waren dann endlich nach noch mal 40 Minuten in Polen. Was für ein Drama die da machen !!! Also, um es kurz zu machen, wir sind mit 2 Stopps nach Hause durchgefahren und waren von 5:00 morgens bis 1:30 nachts = 18,5h auf Achse + TOT…

Abschießend müssen wir nochmals sagen, dass diese Reise in jeder Hinsicht aus dem Rahmen fällt, dass fängt bei den Emotionen an, Fahrt, Menschen, Land (+Polen) und die Freude auf der einen Seite, es getan und erlebt zu haben, sowie der traurige Schmerz, nichts mehr mitteilen zu können. Ich denke jeden Tag an Ostpreußen und summe komischerweise öfter mal das Ostpreußenlied, dass mir Oma ja mal als Kind beibrachte, ich aber irgendwie vergessen habe. Jetzt kann ich wieder jeden einzelnen Ton + Wort !

So Onkel Martin, jetzt weißt Du alles über unsere Reise, die wir auch ein Stückchen für Dich mitgemacht haben. Wir haben unseren Besuch bei Dir so genossen + gespürt, wie bei Dir die Lichter angingen, als wir stundenlang nur darüber reden konnten und Du für meine Sehnsucht der Reise vollstes Verständnis hattest. Damals war noch gar nicht klar, ob wir je die Reise machen werden, jetzt ist es einfach vollbracht. Nach dem Motto: jetzt oder nie. Wenn wir alt werden, vermissen wir vieles aus unserem Leben, das für uns sehr wichtig war, und fallen damit oft anderen auf die Nerven. Das geht mir völlig am Popo vorbei, denn wenn es einen persönlich betrifft, reicht das – Punkt !

Besonders wichtig war es mir, für Dich und mich von jedem Ort eine bisschen Erde mitzubringen. Für Opa habe ich aus Cranz und Danzig etwas auf sein Grab gegeben, Mutti und Oma bekommen Cranz, und für Dich habe ich gleich 4 Tüten: Spullen, Sudnicken, Königsberg und Cranz. Wenn Du es für gut hälst, dann gebe Inge ihre Heimaterde auf Ihr Grab mit unseren besten Wünschen und Grüßen.
Ich hatte einige Male versucht bei Dir anzurufen, aber es hat keiner abgenommen. Ich kann nur hoffen, dass es Dir noch gut geht und Du das hier alles lesen und sehen kannst. Es würde mich sehr schmerzen, wenn dem nicht mehr so ist. Du bist mein einziger noch lebender Verwandte = Du bist mein Onkel Martin ! und bist stellvertretend für Mutti und Oma der Empfänger aller Erinnerungen, Geschenke und Gedanken…
Sollte Dich das Paket noch bei Gesundheit erreichen, rufe mich bitte an.
Wir senden Dir ganz liebe Grüße

*********************************
Mein Dankes-Email an den VdK:Kursiver Text

Friedrich Wenig, N°. 929325 16.05.1903 - 24.12.1944

Liebe Mitarbeiter des VdK,

ich, Hannelore Nehme (64), möchte mich heute mit einem großen Dankeschön an Sie wenden, da ich dank Ihnen nach Jahrzehnten im Herbst 2015 endlich meinen Großvater gefunden habe.

Ganz besonders möchte ich nochmals meinen Dank an Frau Knoth smile für ihren freundlichen Empfang in Ihrem Hause danken, sowie Frau Stracke und Herrn Enders ! Alle 3 haben mich wärmsten empfangen und mir ein Gefühl von Willkommen gegeben. Die Arbeit, die alle im VdK an jedem Ort leisten, ist für uns Hinterbliebene ein Segen, denn egal ob Täter oder Opfer, alle haben eine Familie, die trauern, suchen oder hoffen auf Auffindung ! Ihr Arbeit ist für uns unbezahlbar, sowie auch von allen Ehrenamtlichen, selbst wenn sie nur Blumen niederlegen oder Gräber pflegen.

Nachdem ich es nun endlich doch geschafft habe, meine Reise von 8 Tagen im September mit meinem Mann anzutreten, bin ich mit zitternen Knien hingefahren, da es ja vor allem die Heimat meiner Mutter und Oma war, die ich schon immer kennen lernen wollte, kam ich mit einer bleibenden Sehnsucht zurück. Diese Sehnsucht lag schon seit Kindheit auf meiner Seele, denn das Erlebnis des Krieges, der Gefangenschaft, der Vertreibung und die totale Unkenntnis, wo der Mann und Vater abgeblieben war, war ein Schmerz, den ich meiner Mutti und Oma nie nehmen konnte. Tragischer Weise sind Oma 1993 und Mutti 2012 verstorben, ohne jemals zu erfahren, dass Opa nur 17km entfernt von Lindenhaus in Radenau unter der Erde lag. Vielleicht wissen sie es ja jetzt dank mir ??

Da ich Ostpreußen von oben bis unten + rechts bis links intensiv abgefahren habe (meine armen Autoachsen...) und vor allem (wir wohnten in Cranz/Zelenogradsk) das damalige Zuhause meiner Familie besuchte wo Mutti geboren wurde, habe ich natürlich den wilden "Ritt" auf Baustellen-blockierten Strassen nach Insterburg genommen. Schon von Weitem habe ich die Anlage erkannt, (bin google fan!) und kannte mich irgendwie dort sofort aus. Ich wußte genau, wo ich hingehen mußte, welche Stele und welches Grab.

Anäßlich der großen Feier voriges Jahr haben nette Menschen für mich Bilder gemacht, auf denen sie mir zeigten, welches Grab seins war. Sie haben ein kleines Kreuz mit meinen Gedanken sehr tief in die Erde gedrückt, das ich jetzt auch gefunden habe. Es war wie Feuer in meiner Hand ! Nach lauten Gedanken an den Großvater habe ich mir den Friedhof in Ruhe angesehen und war sehr erfreut, wie würdig er war ! Er wirkte SEHR verlassen, aber meine Blumen zeigten sicher jemandem, dass der Friedhof einen Sinn und Grund für die Familien hat. Es war ein trauriger und gleichzeitig schöner Tag dort, denn ich habe mit dieser Reise ins Land meiner mütterlichen Familie endlich eine Sehnsuchtstür schließen können, die mir jetzt sehr häufig einen glücklichen Gedanken beschert, aucfhv wenn alles mit einer Traurigkeit behaftet ist.

Mein Mann, der ansich nicht so meine Emotionen diesbezüglich teilt (seine Generationen liegen hier auf dem Friedhof in Hann. Münden) ist wie auch ich mit völlig neuen und bewegenden Erfahrungen nach Hause gefahren, es war eine moderne, aber doch andere Welt, dieses "Russland". Muß man erlebt haben, kann man nicht beschreiben, vor allem, wenn man persönlich betroffen ist. Auch ist mir klar geworden, dass die Russen lieber Europäer wären und sich mehr und mehr mit der Deutschen Vergangenheit auseinandersetzen, und es vielleicht auch "chick" finden, das Deutsche in Oblast zurückzuholen. Schade, dass die echten Ostpreußen jetzt alle wegsterben und sie das nicht mehr sehen können ! Ich kann nur hoffen, dass noch lange Zeit mehr Angehörige wie ich an Ostpreußen denken und dort noch hin möchten.

Wenn Sie möchten, können Sie meinen Beitrag mit Namen und Kontaktdaten hier gerne bei Ihnen veröffentlichen, vielleicht bewegt es doch den einen oder anderen Angehörigen predönlich, oder zwecks deren Kontaktaufnahme.

So, jetzt haben Sie viel Zeit verbracht, meinen kurzen Brief zu lesen - Sie sehen, Ihre Arbeit war wieder völlig erfolgreich !!!

Nochmals meinen großen Dank an Sie alle Beteiligten

Hannelore Nehme

Hann. Münden

05541/31223

rosso-lady@web.de

Ich werde dieser Tage noch eine Reihe Bilder beifügen, die ich erst noch bearbeiten muß...

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit
Ihre Hannelore Nehme

Unterstrichener TextKursiver Text

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nachstehende Zeilen fand ich im Nachlaß meiner Mutter. Dieses Werk wurde von ihren Mitgefangenen Kameraden in der https://www.itechfy.com /" target="_blank" rel="noopener noreferrer">Gefangenschaft in Lindenhaus/Schloßberg verfaßt und läßt mein Herz schwer werden, denn ich weiß, was meiner Oma und Mutter alles wiederfahren ist. Was haben wir für ein Glück, dass wir bisher in Frieden leben durften !

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Ich bitte um Verzeihung, dass ich die Bilder erst heute hochladen kann, aber meine Festplatte ging damals kaputt, und es ist erst jetzt gelungen, wenigstens einige der hunderte Bilder wieder herzustellen. Ich habe hier der Reine nach eingestellt Bilder aus:

- Ankunft Ostpreußen
- Cranz
- Cranz Familie
- Sudnicken
- Nehrung: Sarkau, Rositten, Düne Epha, tanzender Wald
- Insterburg Friedhof
- Lindenhaus/Schlossberg
- Königsberg
- Spullen





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